GOOGLES SUCHVORSCHLÄGE (SUGGEST) – EIN WERKZEUG DER RUFSCHÄDIGUNG?

Suchmaschinen bieten eine große Zahl von Hilfestellungen beim Durchforsten des World Wide Web, darunter auch eine suggest-Funktion, die bereits bei der Eingabe des ersten Suchbegriffs Vorschläge für die nächsten Suchwörter unterbreitet. Dabei werden jedoch auch Vorschläge angezeigt, die geeignet sind, den Ruf der betroffenen Person oder des betroffenen Unternehmens nachhaltig zu schädigen. Betroffene haben ein Interesse daran, dass potentiell rufschädigende Suchvorschläge entfernt und nicht länger angezeigt werden.

 

Ob dies möglich ist und wie, will dieser Beitrag im Detail am Beispiel Google suggest untersuchen.

 

Funktionsweise von Google suggest

 

Die suggest-Funktion bei Google und anderen Suchmaschinenanbietern bietet dem Suchenden schon bei der Eingabe des ersten Suchwortes ähnliche Suchanfragen an, welche aus der Analyse aller Suchanfragen zu diesen oder verwandten Begriffen berechnet werden. Dabei wird vor allem das Nutzerverhalten derjenigen ausgewertet und verwendet, die nach den entsprechenden Begriffen suchen. Wenn also eine genügend große Anzahl von Google-Nutzern nach dem Suchbegriff A in Verbindung mit Suchbegriff B gesucht hat, taucht Suchbegriff B schon bei Eingabe nur von Suchbegriff A in der suggest Liste auf.

 

Laut der Funktionsbeschreibung fließt vorrangig das Nutzerverhalten der Suchenden in die Auswahl der Vorschläge für suggest ein. Auf der Google Seite heißt es hierzu:

 

„Während Ihrer Eingabe werden mithilfe des Google-Algorithmus basierend auf den Suchaktivitäten anderer Nutzer Suchanfragen vervollständigt und angezeigt. Diese Suchanfragen werden algorithmisch anhand einer Reihe objektiver Faktoren automatisch berechnet. Zu diesen Faktoren zählt zum Beispiel die Beliebtheit der Suchbegriffe. Alle angezeigten vervollständigten Suchanfragen wurden zuvor von Google-Nutzern eingegeben. […]“

 

Dies bedeutet auch, dass die Vorschlagsfunktion „Autovervollständigen“ weniger von tatsächlich vorhandenen Suchtreffern als den Suchanfragen beeinflusst ist. Daher würde ein Suchbegriff B auch dann vorgeschlagen, wenn genügend Nutzer nach der Verbindung der Suchbegriffe A und B suchen, selbst wenn kein oder nur wenige Suchergebnisse eine Verbindung zwischen den Suchbegriffen A und B hergeben.

 

Fluch oder Segen?

 

So nützlich die suggest Funktion als Hilfe bei Tippfehlern, als Zeitersparnis oder beim Finden der richtigen Suchwörter sein kann, so gefährlich ist diese Funktion gleichzeitig für die Meinungsbildung der Suchenden.

 

Denn Meinungsbildung funktioniert keinesfalls nur nach völlig objektiven Kriterien, sondern Menschen lassen sich häufig und stark von der Meinung anderer beeinflussen und sehr oft auch von einer gewissen „Sensationslust“ leiten. Gerade bei Suchbegriffen mit relativ geringem Suchvolumen kann aufgrund psychologischer Vorgänge bei der Meinungsbildung der suggest Funktion eine aufmerksamkeitslenkende und meinungsbeeinflussende Wirkung zukommen. Suchmaschinenoptimierer kennen dieses Problem bereits seit längerer Zeit und mussten oft feststellen, dass sich Besucherströme auf Webseiten verlagern, die speziell für die von suggest vorgeschlagenen Begriffe optimiert wurden.

 

Sensationslust

 

So kann ein Nutzer durch suggest von seiner ursprünglichen Suchintention abgelenkt und in eine völlig andere Suchrichtung gelenkt werden. Ein Nutzer, der nach den Suchwörtern A und Z suchen will, weil er eine Verbindung zwischen A und Z kennt oder vermutet und Ergebnisse dazu sucht, könnte sich durch den Vorschlag der Verbindung A und B beeinflussen lassen, wenn er die Verbindung von A zu B nicht kannte oder diese für ihn überraschend ist. Sofern der Begriff B in diesem Fall eine Person oder ein Unternehmen (Suchbegriff A) in schlechtes Licht rückt oder gar den persönlichen oder geschäftlichen Ruf nachhaltig schädigt, sie beispielsweise mit angeblicher Insolvenz oder Betrügereien verbindet, kann diese Verbindung durch die suggest Funktion und Googles Reichweite in Deutschland schnell existenzbedrohend werden. Und ein Suchbegriff B, der sich einmal in der suggest Liste festgesetzt hat, lässt mit der Zeit immer schwieriger bekämpfen, wenn dieser eine ausreichend „sensationelle“ Verbindung enthält und so die Sensationslust von immer mehr Nutzern anspricht.

 

Juristische Gegenmaßnahmen

 

Trotz der oben angesprochenen möglicherweise rufschädigenden Wirkung der suggest Funktion ist die Möglichkeit eines juristischen Vorgehens zurzeit kaum möglich. Denn da es sich bei der Google-Suche und damit auch der suggest Funktion um ein Telemedium im Sinne des Telemediengesetzes (TMG) sowie des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) handelt, richtet sich eine Inanspruchnahme auf Unterlassung und ggf. Schadensersatz nach den speziellen Haftungs- und Sorgfaltsmaßstäben für Telemedien, die an den entscheidenden Stellen sehr eingeschränkt sind.

 

Löschung wegen Rufschädigung durch suggest Vorschläge selbst?

 

So ist bei der Frage z.B. nach der Verletzung des Persönlichkeitsrechts als der zentralen Voraussetzung eines möglichen Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruches zunächst zu unterscheiden, genau welche Information das Persönlichkeitsrecht verletzt und wie und von wem diese Information in welcher Weise dargestellt und verbreitet wird. So wurde in der von dieser Kanzlei betreuten „Snippets“ Entscheidung des OLG Hamburg (Aktenzeichen 3 U 67/11, verkündet am 26.05.2011) befunden, dass gerade die bei den Snippets vorgenommene automatische Destillierung einer gesamten Webseite auf wenige Schlagworte um die Suchbegriffe herum keinen eigenen Aussagewert enthält und daher ungeachtet einer möglichen Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Ausgangsseite keine eigene Verletzung darstellt. Hier bleibt zwar mit Spannung abzuwarten, ob der BGH dahingehend eine andere Auffassung vertritt (Nichtzulassungsbeschwerde ist eingelegt), jedoch ist bis zu einer solchen Entscheidung anzunehmen, dass sich die Sicht der Gerichte in dieser Frage trotz entgegenstehender Ansichten in der juristischen Literatur nicht ändern wird.

 

In Bezug auf die suggest Funktion ist es wahrscheinlich, dass die Gerichte der Snippets Rechtsprechung folgen werden, da suggest in seiner Funktion ähnlich zu Snippets ist. So wird auch durch suggest die Aufmerksamkeit des Nutzers auf die komprimierte Aneinanderreihung bestimmter Reizworte gelenkt, dies lediglich in einem früheren Stadium als bei Snippets, nämlich bereits während der Eingabe und nicht erst bei der Anzeige der Suchergebnisse.

 

Löschung als User generated Content?

 

Ein anderer Aspekt von suggest eröffnet zwar eine im Vergleich zu den Snippets neue Argumentationslinie, die jedoch letztlich auch nicht zum Ziel führt. Ausweislich der obigen Funktionsbeschreibung beruhen die Suchvorschläge maßgeblich auf Suchanfragen, die andere Nutzer an Google gestellt haben. Google speichert also die Information dazu, welche Suchbegriffe in welchen Zusammensetzungen gesucht werden, – vereinfacht gesagt – in einer gigantischen „Strichliste“. Obwohl bei Telemedien eine solche Speicherung von Informationen von Dritten oder für Dritte bereits Löschpflichten auslösen kann, scheitert eine solche hier daran, dass allein die Suchanfragen der Nutzer, die gespeichert werden und so den Suchvorschlag auslösen, selbst keine Rechtsverletzung beinhalten.

 

Erhöhte Sorgfaltspflichten wegen journalistisch-redaktionelle Gestaltung?

 

Als weiterer möglicher Angriffspunkt ist zwar an die Argumentation zu denken, die suggest Funktion könnte ein journalistisch-redaktionell gestalteter Mediendienst i.S.d. § 54 Abs. 2 RStV sein, für den weitgehende presserechtliche Sorgfaltspflichten gelten würden, jedoch ist ernsthaft zu bezweifeln, dass ein Gericht von dieser Argumentation zu überzeugen wäre.

 

Eine journalistisch-redaktionelle Gestaltung setzt zunächst eine Selektion und Strukturierung von Inhalten voraus, welche durchaus auch für suggest begründbar wäre. Schließlich werden die Suchanfragen der Nutzer durchaus einzelnen Begriffen zugeordnet und in ihrer Häufigkeit erfasst, so dass die Suchvorschläge aufgrund dieser Häufigkeitsverteilung selektiert und anhand der Relevanz der Suchbegriffe strukturiert werden. Allerdings fehlt es an einer „gedanklichen Auseinandersetzung“, die für eine journalistisch-redaktionelle Gestaltung ebenfalls erforderlich ist. Denn suggest liefert letztlich nur das Ergebnis einer mathematischen Funktion aus Häufigkeit und Relevanz, bietet jedoch letztlich keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Suchvorschlägen. Eine journalistisch-redaktionelle Auswahl findet hingegen nach anderen Kriterien und vor allem unter Zuhilfenahme der journalistischen Erfahrung des Auswählenden statt, so dass sie mit der automatischen Auswahl nicht vergleichbar ist.

 

Fazit

 

Aufgrund der obigen Ausführungen ergibt sich hinsichtlich der suggest Funktion keine neue oder andere Angriffsfläche als bezüglich der Snippets. Sollte jedoch der BGH den Snippets einen eigenen Aussagewert zuerkennen, könnte sich auch hinsichtlich der Suchvorschläge eine Löschpflicht seitens Google ergeben.

 

Bis dahin dürfte eher eine technische Lösung angezeigt sein, etwa die Generierung einer ausreichenden Zahl von Suchergebnissen mit einer positiven Darstellung und einer entsprechend großen Zahl von Suchanfragen durch eine Vielzahl von Nutzern (z.B. mit installierter Google-Toolbar), die den unliebsamen Suchvorschlag B so sehr in den Hintergrund drängen, dass dieser aus der Liste der Suchvorschläge verschwindet. Wie groß dieser Aufwand jedoch einzuschätzen ist, hängt vor allem vom Einzelfall und von der Anzahl der bisherigen Suchanfragen ab, welche nur Google selbst bekannt ist.

 

Auch die Möglichkeit, über die Google Hilfeforen eine Bitte, unliebsame Suchvorschläge zu entfernen, zu lancieren, ist mit großer Vorsicht zu nutzen, denn diese Foren sind öffentlich zugänglich. Aufgrund des „Streisand“-Effekts kann eine solch öffentliche Bitte erst recht Aufmerksamkeit erregen.

 

Neben der Hoffnung auf eine Entscheidung des BGH zugunsten der geschädigten Geschäfts- und Privatleute ist die suggest Funktion auch ein weiterer Anlass für den Gesetzgeber, den weitgehenden Haftungsausschluss der Suchmaschinen auf den Prüfstand zu stellen, um wenigstens eklatante Rechtsverstöße, die nicht mehr von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt sind, abstellen zu können.

 

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